Der Spiegel und sein Free-2-Play-Bashing - Eine Kritik
Der Spiegel berichtet in seiner neuesten Ausgabe über das Free-2-Play-Modell und prangert dabei erfolgreiche Spiele-Unternehmen wie Upjers und Ubisoft an. Dieses Modell soll angeblich Kinder dazu animieren, möglichst schnell Geld in den Spielen der Unternehmen auszugeben. Eine Artikel-Kritik!
In der aktuellen Ausgabe (Nr. 9 / 24.2.14) des in Deutschland sehr beliebten Wochenmagazins DER SPIEGEL werden vom Redakteur Nils Klawitter bekannte Spiele-Entwickler wie
Upjers und Owlient (
Ubisoft) hart rangenommen. Das Thema des Artikels ist hierbei nichts Neues: Kindern wird durch vermeintlich kostenlose Angebote viel Geld aus der Tasche gezogen.
Wer nun vom Spiegel-Artikel eine ausgewogene und sachliche Analyse des deutschen Free-2-Play-Marktes erwartet, wird leider enttäuscht. Stattdessen setzt der Autor auf eine reißerische Überschrift („Zur Kasse, Kinder!“) und liefert einen recht einseitigen Artikel ab, der das Free-2-Play-Modell recht verzerrt darstellt.
Im Laufe des Artikels erwähnt der Autor nicht nur zahlreiche Probleme, die sich seiner Meinung nach aus diesem Geschäftsmodell ergeben, sondern berichtet unter anderem auch über eine Abmahnung des
Verbraucherzentrale Bundesverbande (VZBV), der diese in diesem Zusammenhang gegen den Browsergames-Entwickler Upjers ausgesprochen habe.
Eine verzerrte Darstellung des Free-2-Play Markts
Wir haben uns mit dem Artikel genau auseinandergesetzt und mussten hierbei feststellen, dass einige Probleme nicht so gravierend sind, wie sie der Autor darstellt. Gleichzeitig wurden im Artikel auch mehrere Themenbereiche miteinander vermischt, welche eigentlich getrennt hätten betrachtet werden müssen. Newsslash hat dazu mit Carola Elbrecht vom Verbraucherzentrale Bundesverband gesprochen, die auch vom Spiegel interviewt wurde, und fand heraus, um welche Punkte es dem Verbraucherschutz tatsächlich geht. Auch mit Klaus Schmitt, Geschäftsführer und Gründer von Upjers, sprach Newsslash und konnte die bereits durchgeführten Maßnahmen zum Schutz der eigenen Spieler in Erfahrung bringen.
Das sterbende Pferd eines kleinen Mädchens
Einleitend schildert Autor Klawitter in seinem Artikel eine Geschichte der Spielerin Jennifer, die sich um ihr eigenes virtuelles Pferd im kostenlosen Browsergame Howrse (Owlient / Ubisoft) kümmert. Dieses wurde leider krank und eine von Jennifer durchgeführte Wurmkur konnte das Pferd nicht mehr retten, weshalb es starb. Sollte sie das Pferd jedoch wiederbeleben wollen, so würde sie dies einen Euro kosten. "Ziemlich viel Druck“ der auf einer Zwölfjährigen lastet, wie der Autor findet.
Klawitter führt weiter aus, dass vor allem Kinder und Jugendliche zwischen 10 und 19 Jahren laut einer Bitkom-Analyse die zweitgrößte Käufergruppe in Spielen seien. Auch der Vergleich, dem Apple im Rahmen einer Sammelklage zugestimmt hat und der das Unternehmen nun 32,5 Millionen US-Dollar an Entschädigung kostet, findet in dem Artikel Erwähnung; ebenso wie der Umstand, dass das Thema in den USA sogar den Senat beschäftigte.
Zwar sind die Fakten durchaus richtig, werden aber im Kontext des Artikels so ausgelegt, dass diese die Spielebranche in einem möglichst schlechten Licht erscheinen lassen.
Probleme mit einfachen Lösungen
Zwar scheint der Hauptschuldige an diesem Dilemma für Klawitter die Spieleindustrie zu sein; gleichzeitig führt er aber auch zahlreiche Punkte an, auf die die Entwickler selbst gar keinen Einfluss haben. Dazu gehört beispielsweise der Umstand, dass die Login-Session im Apple-App-Store für 15 Minuten aktiv bleibt und weitere Einkäufe getätigt werden können. Ein Missstand, der definitiv zu unabsichtlichen Käufen, auch bei Kindern führen kann. Aber Apple ist dieses Problem seit einiger Zeit bekannt und das Unternehmen hatte auch bereits angekündigt, seinen Kinderschutz für das tätigen von Einkäufen im Apple App Store verbessern zu wollen.
Klawitter selbst ist sich dieses Umstandes aber entweder nicht bewusst oder er ignoriert ihn einfach. Zudem gibt es schon seit Langem die Möglichkeit, im App Store auch ein Konto ohne hinterlegte Kreditkarte zu nutzen; stattdessen kann man sein Konto mit einer Prepaid-Karte aufladen. Für Eltern stellt dies einen gewissen Schutz dar; denn mehr Geld als aufgeladen wurde, kann nicht ausgegeben werden. Und wem diese Möglichkeiten nicht reichen, der kann über den Apple App Store spezielle Apps für Kinder herunterladen sowie über die iOS-Einstellungen eigene Einschränkungen festlegen, welche als Kindersicherung fungieren. Tatsachen, welche der Spiegel-Redakteur mit keinem Wort in seinem Artikel erwähnte.
Kinder werden einem Kaufrausch ausgesetzt
Der Spiegel selber sieht Kinder in Free-2-Play-Spielen einen potenziellen „Kaufrausch“ ausgesetzt und prangert so auch alt bekannte Bezahloptionen per Smartphone an. Auch hier gibt es für Eltern seit Langem verschiedenste Möglichkeiten, ihre Kinder am Ausgeben von Geld zu hindern: Zum einen können kostenpflichtige Telefonnummern gesperrt werden; zum anderen können Eltern ihrem Kind auch einfach eine Prepaid-Karte für ihr Smartphone kaufen. Lösungsansätze, die in dem Artikel keine Erwähnung finden; stattdessen wird nur weiter betont, wie die vermeintlich kostenlosen Smartphone-Spiele jungen Kunden viel Geld aus der Tasche ziehen. Interessant ist hierbei auch, dass der Autor des Spiegel-Artikels plötzlich von In-App-Käufen, welche in Smartphone- und TabletGames getätigt werden, auf Bezahloptionen wechselt, welche in Browsergames genutzt werden.
Die Rolle des Verbraucherschutzes
Doch was hat das Ganze nun mit dem Verbraucherschutz Bundesverband zu tun? Wer sich mit der Monetisierung seiner Nutzer in Free-2-Play-Spielen beschäftigt, der wird des Öfteren schon mit der Idee gespielt haben, Werbung sowie Bonus-Programme in die eigenen Titel zu integrieren. Genau diese Werbung in Form von Werbe-Clips, die Nutzer ansehen müssen, um an kostenlose Premium-Währung zu gelangen, sieht der VZBV laut dem Spiegel als "viel problematischer" an, als die zuvor von uns aufgelisteten Bezahloptionen. Als wir mit Carola Elbrecht vom VZBV sprachen, die der Spiegel ebenfalls interviewte, wurde recht schnell klar, dass es der Spiegel die Situation als viel problematischer darstellt, als sie tatsächlich ist.
Upjers wurde zwar in der Tat kürzlich vom VZBV abgemahnt, nachdem dieser eine Beschwerde eines My Free Zoo-Nutzers erhielt. Seitdem fehlt laut dem Spiegel in der Spielbeschreibung der Begriff „Kinder“ in der Liste der Personen, für die das Spiel geeignet sei. Nun ist nur noch von Frauen und Männern die Rede; für den Spiegel ein Anzeichen dafür, dass man sich nach lauter werdender Kritik nun absichern will. Auch der Begriff „Wirtschaftssimulation“, der für Titel wie My Free Zoo durchaus üblich ist, scheint aus der Sicht des Autors hier eher unangebracht.
Um was geht es dem VZBV?
Doch worum geht es dem VZBV bei seiner Abmahnung überhaupt? Immerhin wird sie recht prominent in dem Artikel erwähnt. Wie uns Frau Elbrecht, Referentin beim Verbraucherzentrale Bundesverband, mitteilte, geht es den Verbraucherschützern vor allem um die korrekte Darstellung und Kennzeichnung von Bezahloptionen und der in Spielen integrierten Werbung.
Die Abmahnung des VZBV
Wenn Nutzer über das Payment-Fenster einen Werbeclip ansehen, so sollen diese auch darüber informiert werden, dass es sich hierbei um Werbung handelt. Auch darf nach Ansicht des VZBV von Spieleunternehmen nicht damit geworben werden, dass Spieler eine „kostenlose“ Premium-Währung erhalten, wenn diese über einen Partner-Shop einen Einkauf tätigen müssen, um an die Währung zu gelangen; immerhin wird dann auch über diesen Shop echtes Geld ausgegeben. Bekannt hierfür sind Angebote von Unternehmen wie Pay By Shopping und SponsorPay.
Problematisch sehen Verbraucherschützer auch Gewinnspiele, an denen Nutzer teilnehmen können. Geben diese bei dem jeweiligen Gewinnspiel ihre persönlichen Daten an, so werden sie dafür direkt im Spiel mit kostenloser Premium-Währung belohnt. Vielen junge Spieler denken dabei nicht wirklich darüber nach, welche Konsequenzen es haben kann, wenn sie ihre persönlichen Daten online angeben.
Die vorgeschlagene Lösung des VZBV ist hierbei bei Weitem nicht, dass nun alle Spiele-Entwickler ihre Payments bei Kindern deaktivieren müssen und diese Nutzergruppe nicht mehr monetarisiert werden darf. Viel eher wünscht sich der Verbraucherschutz, dass Spiele-Entwickler einen Kinderschutz in ihren Spielen integrieren. Über diesen wird unter anderem das Payment für Kinder deaktiviert; Eltern haben aber weiterhin die Möglichkeit, ein Payment für ihr Kind durchzuführen. Auch eine Kostengrenze wäre für den VZBV hierbei durchwegs denkbar.
Alles Punkte, die man vor allem aus Sicht des Verbrauchers, so vertreten kann. Allerdings sind sie bei Weitem nicht so gravierend, wie der Spiegel es dem Leser glauben machen will.
Wie reagierte Upjers auf die Abmahnung?
Und wie hat Upjers auf die Abmahnung durch den VZBV reagiert? Auf Nachfrage teilte uns das Unternehmen mit, dass zum Schutz junger Spieler bereits im letzten Jahr auf allen Payment-Seiten das von der Kommission für Jugendmedienschutz anerkannte Jugendschutzprogramm "
JusProg" implementiert wurde. So kann kein Payment getätigt werden, wenn "JusProg" auf dem Rechner eingerichtet ist.
Upjers reagiert auf die Abmahnung
Zudem hat Upjers auch eine Payment-Sperre eingeführt, die auf Wunsch von jedem Spieler aktiviert werden kann. "Wenn es ein Spieler wünscht, sperren wir für seinen Account jeglichen Zugriff auf das upjers-Payment," so Klaus Schmitt, Gründer und CEO von Upjers. "Das Feedback der Verbraucherzentrale sehen wir als positiv an. Dieses berücksichtigen wir ebenso wie das Feedback unserer Spieler. Zusammen mit der Verbraucherzentrale arbeiten wir gemeinsam an geeigneten Lösungen"
Außerdem teilte uns Klaus Schmitt mit, dass Upjers-Browsergames laut verschiedenen Studien insbesondere Frauen im mittleren Alter ansprechen. My Free Zoo wird also nicht vorranging von Kindern gespielt, wie der Spiegel in seinem Artikel den Eindruck erweckt.
Und was bleibt?
Das Vorgehen der Verbraucherschützer ist nachvollziehbar und aus Verbrauchersicht richtig. Kinder sollen und müssen davor geschützt werden, unbeabsichtigt echtes Geld in Spielen auszugeben. Doch die Situation ist weit weniger dramatisch, als sie der Spiegel in seinem Artikel "Zur Kasse, Kinder!" darstellt. Statt einer ausgewogenen Analyse bekommen Leser hier einen recht einseitigen Artikel präsentiert, in dem die F2P-Spieleindustrie als das große Übel dargestellt wird. Dabei unterschlägt der Autor auch, dass es bereits recht einfach zu implementierende Lösungen für dieses Problem gibt, mit denen Eltern sich und ihre Kinder vor unbeabsichtigten Käufen schützen können.
Indem der Spiegel die Schuld nur den Herstellern von F2P-Spielen zuschiebt, macht er es sich ganz klar zu einfach, denn es liegt nicht allein in deren Verantwortung, Kinder vor übermäßigen Käufen in Spielen zu schützen. Diese sind an diesem Dilemma aber natürlich nicht ganz unschuldig, schließlich versuchen sie nachvollziehbarer Weise ihre Nutzer dazu zu bewegen, Geld auszugeben. Und da gerade Kinder im Bereich der Spiele besonders anfällig für solche Geschäftsmethoden sind, bedürfen sie eines besonderen Schutzes. Gleichzeitig müssen sie aber auch den verantwortungsvollen Umgang mit solchen Dingen lernen, wenn sie im digitalen Zeitalter zu einem mündigen Nutzer werden sollen; eine Forderung, die vor allem in den klassischen Medien immer wieder zu lesen ist. Dazu gehört auch, dass Eltern ihren Kindern einen verantwortungsbewussten Umgang mit Geld beibringen. Nicht zuletzt im Netz, in dem die Versuchung oft nur einen Mausklick entfernt ist.