BLIKK-Studie - Warnung vor Gefahren der Digitalisierung sorgt für Diskussionen
Die Drogenbeauftragte der Bundesregierung, Marlene Mortler, nimmt die Ergebnisse der aktuellen BLIKK-Studie zum Anlass, vor den gesundheitlichen Gefahren der Digitalisierung zu warnen. An der Repräsentativität und den Schlussfolgerungen werden aber Zweifel angemeldet.
Die Ergebnisse und Schlussfolgerungen aus der aktuellen BLIKK-Studie sorgen für einige Diskussionen in der Medienwelt und unter der Bevölkerung. Die Studie mit dem komischen Namen untersuchte 5.573 Familien mit deren Kindern im Rahmen von Vorsorgeuntersuchungen in deutschen Arztpraxen. BLIKK steht für Bewältigung, Lernverhalten, Intelligenz, Kompetenz und Kommunikation. Das Forscherteam um Prof. Dr. Rainer Riedel, Direktor des Instituts für Medizinökonomie und medizinische Versorgungsforschung der Rheinischen Fachhochschule Köln, sowie Dr. med. Uwe Büsching, Kinder- und Jugendarzt sowie Vorstandsmitglied des Berufsverbands der Kinder -und Jugendärzte, wollte die Auswirkungen der Nutzung digitaler Medien auf die körperliche, geistige, soziale und schulische Entwicklung von Kindern untersuchen. Aufgrund der Ergebnisse äußerte die Drogenbeauftragte der Bundesregierung sich deutlich in Sorge ob der Gefahren für die Gesundheit der Kinder und Jugendlichen. Ist das übertrieben und was genau waren die Ergebnisse eigentlich?
Die Frage, ob die Warnung der Drogenbeauftragten vor der (übermäßigen) Nutzung digitaler Medien so deutlich einseitig hätte ausfallen müssen, können wir am Ende klären bzw. auch dem geneigten Leser in seiner Meinungsbildung selbst überlassen. Einige der Schlussfolgerungen und Ergebnisse will ich aber kurz anreißen. Da ich erwähnte, dass an der Repräsentativität der Studie Zweifel laut geworden sind, gehen wir kurz auf die Befragungsbasis ein.
Es wurden wie oben erwähnt, 5.573 Familien und deren Kinder deutschlandweit befragt und die Kinder neurologisch und körperlich untersucht. Dies fand im Auftrag des Bundesministeriums für Gesundheit in 79 Kinderarztpraxen statt. Auffallend allerdings ist schon die regionale Verteilung. Im Bundesland Bremen wurden gar keine Daten erhoben, in den ostdeutschen Bundesländern waren nur vereinzelte Praxen beteiligt. Dass hier zusammengenommen einer großer Teil der Bevölkerung deutlich unbeleuchtet blieb, kann auch keine nachträgliche Gewichtung im Rahmen einer statistischen Auswertung ausbügeln. Eher müsste man die wenigen befragten dieser 6 Bundesländer als Ausreisser gänzlich aus der Analyse nehmen. Soweit die Datengrundlage, mit der gearbeitet wurde.
Die nächste Ebene, auf deren Aussagen die Diskussionen, Meinungen und Schlussfolgerungen zustande gekommen sind, ist die der Interpretation der erhobenen Daten. Pauschal hören und lesen wir in den letzten Tagen überall, dass die Nutzung digitaler Medien Kinder und Jugendlichen dumm und fett macht. Verzeiht die starke Ausdrucksweise. Eine sachlichere Formulierung aus der Studie beschreibt, dass 8-13jährige Kinder, die tägliche Bildschirmnutzungszeiten haben, dazu neigen, mehr Süßigkeiten und süße Getränke zu sich zu nehmen, der BMI soll erhöht sein. Weitere konkrete Belege über diesen signifikanten Zusammenhang bestehen nicht. Keine Fallzahlen, keine Aussagen darüber, ob der erhöhte Süßverzehr und die Ansammlungen Fett tatsächlich auf die Bildschirmnutzung oder auch noch auf andere Gewohnheiten zurückzuführen sind, gibt es nicht.
Frühkindliche Bindungsstörungen werden für Kinder vorausgesagt bzw. im Rahmen der Befragungen und Untersuchungen erkannt, wenn die Mutter während der Kinderbetreuung digital Medien konsumiert, also zum Beispiel am Smartphone ein Spiel spielt oder auch einfach nur mit ihren Freundinnen in einem Messenger schreibt. Wie genau es dadurch zu diesen Störungen kommt, wird leider wieder nicht näher erläutert.
Eine dreifach höhere Prävalenz (in einfach: Risiko für oder schon Vorhandensein einer Erkrankung) für motorische Hyperaktivität, Sprach- und Konzentrationsstörungen werden bei Kindern im Alter von 2-5 Jahren erkannt, die länger als 30 Minuten pro Tag digitale Medien konsumieren bzw. Fernsehen. Auch hier werden wieder keine Fallzahlen genannt.
Im Grunde wurden Zusammenhänge zwischen intensiver Mediennutzung und Störungen der kindlichen Entwicklung bei Kindern vor allem im Alter bis zu sechs Jahren festgestellt und daraus eine Handlungsnotwendigkeit abgeleitet. Frühkindliche Entwicklung kann gestört werden. Dafür gibt es viele Einflussfaktoren. Einer dieser Faktoren kann die Mediennutzung sein. Das Fernsehen steht da ja schon länger unter Generalverdacht. Nun kommen noch Smartphone und Tablet dazu, eine andere Art der Geräte und der Übertragung der Medieninhalte.
Ein Bullet-Point, in der Pressemitteilung der Drogenbeauftragten der Bundesregierung ist, dass es einer frühkindlichen Sensibilisierung für die digitale Mediennutzung bedarf. Kinder sollte man nicht damit allein lassen, an die Hand nehmen und ihnen Medienkompetenz beibringen. Ansonsten besteht ein erhöhtes Risiko, und jetzt haben wir auch endlich den Kreis zur Drogenbeauftragten geschlagen, dass sie in unkontrollierte Mediennutzung nahe eines Suchtverhaltens abgleiten können. Wahrlich kein so schlechter Vorschlag, gehört es doch zur Kindererziehung dazu, die Kleinen in die Welt einzuführen und ihnen zu lehren, wie man mit sich, der Umwelt, den Einflüssen durch Freunde und Fremde auseinandersetzt und in ihr agiert. Dazu gehört selbstverständlich auch, die Kinder zu einem Menschen heranzuziehen, der kompetent sein Konsumverhalten einschätzen kann und in der Umwelt sozial und geistig gesund agiert.
Die Schlussfolgerungen der beiden Mediziner zu den Ergebnissen sind auch nicht verteufelbar. Den Kindern beibringen, wie man mit den digitalen Medien umgeht, die Vorteile der globalisierten Welt zu nutzen und trotzdem reale Erfahrungen mit Freunden nicht zu vernachlässigen, um Vereinsamung vorzubeugen, ist ja per se nichts Schlechtes. Auch dass die Ärzte mit ins Boot geholt werden müssen und eine qualifizierte Mediennutzungsberatung sowie eine Medienanamnese in die frühkindlichen Untersuchungen mit einbezogen werden wollte, ist ein guter Gedanke.
Was dem Ganzen irgendwie einen faden Beigeschmack verpasst, ist der Versuch, diese Handlungsvorschläge mit Fakten zu untermauern, die anscheinend nicht wirklich da sind und die Sprache der Drogenbeauftragten, durch die eine 30-minütige Mediennutzung am Tag wohl unweigerlich zur Entwicklungsstörung und eventueller unkontrollierbarer Abhängigkeit des Kindes führe. Weniger ist manchmal mehr. Eine große teure Studie, die versucht, Annahmen zu untermauern, die schon seit Jahrzehnten diskutiert werden, um daraus Handlungsaufforderungen zu formulieren, um politische Entscheidungen in die Wege zu leiten, ist zwar gängige Praxis, aber schlecht durchgeführt und vor allem schlecht unter Nutzung der digitalen Medien kommuniziert, kann sie auch genau das bewirken, was wir gerade sehen: sie verpufft und ihre wissenschaftliche Seriosität und Relevanz wird angezweifelt. Ob zurecht oder nicht, möchte ich an dieser Stelle aufgrund fehlender Sachkompetenz nicht eindeutig beantworten.